Samstag, 21. März 2015

#01 Wenn ich groß bin werde ich..

Eine Interviewreihe 

 

the_lamapaandu: Was wollten Sie mal werden als Sie klein waren?
herr sozialarbeiter: Oh jeh, wollte ich irgendwas werden, als ich klein war? (überlegt) Ja, Raumschiffkomandant!

the_lamapaandu: Wie sah ihr schulischer Werdegang später aus?
herr sozialarbeiter: Ich war auf einer Hauptschule und bin dann auf eine Gesamtschule gegangen. Danach habe ich dann mein Abitur gemacht. Schule fertig.

the_lamapaandu: In welchem Jahr war das?
herr sozialarbeiter: 1979 oder 1980, das weiß ich nicht mehr so genau..

the_lamapaandu: Und wie ging es dann für Sie weiter? Wussten Sie zu dem Zeipunkt, als Sie Abi gemacht hatten, schon was Sie machen möchten?
herr sozialarbeiter: Ob ich Raumschiffkomandant werde? (lacht) Nein, ich wusste nicht genau, was ich werden will. Aber damals war eine revolutionäre Zeit und ich hatte die Vorstellung, in einer Gemeinschaft zu leben und zu arbeiten. In irgend einer Form in einem Kollektiv, in einer Kommune. Es war mir nicht all zu wichtig, was der Inhalt war, sondern die Form. Später habe ich dann ein bisschen handwerkliche Begabung entdeckt und habe das dann auch verfolgt. Zuerst musste ich noch Zivildienst machen. Da haben sich viele Kontakte ergeben und ich habe dann auch ein Politik- und Soziologiestudium aufgenommen. In der Zeit war das damals noch nicht so, dass man von morgens bis abends und die ganze Woche studiert hat. Man hat ein bisschen Zeit gehabt. Ich habe nebenbei gearbeitet und Kontakte gepflegt, um später meine Idee zu verwirklichen. Was dann auch geklappt hat.

the_lamapaandu: Arbeiten im Kollektiv, war das für ihre Eltern damals überhaupt kein Problem?
herr sozialarbeiter: Jajaja, das war ein großes Problem für die. Ich hatte damals aber keinen Kontakt und bin  da relativ ungeschoren raus gekommen.

the_lamapaandu: Wie hat sich der Schritt vom Zivildienst zum Studium entwickelt? War das ein kontkreter Studienwunsch?
herr sozialarbeiter: Ne, das war ne Mischung aus der Möglichkeit. Ich wollte in der Stadt bleiben und das konnte man dort studieren, und ich habe mich für Politik und Gesellschaft interessiert. Auch mit dem Hintergrundgedanken später in einem Kollektiv zu arbeiten. Das war ja auch ein politischer Ansatz, innerhalb der Gesellschaft eine andere Gesellschaftsform zu leben. Im Grunde war das aber damals schon klar, dass das keine Berufsaussichten hat. Soziologen brauchte man damals nicht viele. Gemacht habe ich das, weil es mich interessiert hat und weil ich gedacht habe, das ist ne Zeit, in der ich relativ viel Freizeit habe. Und ein halbwegs gesichertes Auskommen. Dann habe ich versucht ein Kollektiv aufzubauen.

the_lamapaandu: Wieviel Zeit haben Sie sich genommen zum Studieren? Hatten Sie eine Grenze, oder haben Sie einfach studiert, bis Sie keine Lust mehr hatten?
herr sozialarbeiter: Ich hatte auf jeden Fall, nach dem sonst nichts Besonderes lief, bis zum Vordiplom studiert. Gut, ich habe mir ein Semester länger Zeit gelassen. Also es wären vier Semester gewesen und ich habe fünf Semester lang studiert. Zu dem Zeitpunkt aber schon im Prinzip ein Kollektiv begonnen.

the_lamapaandu: Haben Sie das dann selber gegründet? Nach dem Motto: "Ich hab bock und du?"
herr sozialarbeiter: Ja, wir waren zu dritt. Also das hat relativ klein angefangen. Insofern, dass wir schon Bock hatten was mit den Händen zu machen. Wir hatten die Gelegenheit eine Werkstatt zu mieten. Das haben wir gemacht und haben im größeren Kreis gesucht, um sich die Miete zu teilen. Wir waren immer so zwischen zehn und zwölf Mieter. So hat das für jeden nicht viel gekostet und alle haben ihr Werkzeug zusammen getragen und jeder hat für sich selbst Möbel gebastelt, das Fahrrad repariert und das Motorrad, das Auto und so Zeug. In einem kleineren Kreis haben wir uns dann überlegt, womit wir eigentlich Geld verdienen könnten und dann quasi ein Kollektiv gegründet. Eine Zeit lang hatten wir auch LKWs und haben Umzüge gefahren und später haben wir angefangen Autos ohne TÜV aufzukaufen und zu reparieren, um sie dann wieder zu verkaufen. Ich hatte dann nebenbei, noch als Student, einen Nebenjob bei einem Antiquitätenhändler und habe für den Möbel abgelackt. Da ich ein gewisses Talent hatte, habe ich dann auch angefangen mit ihm Möbel zu restaurieren. Und dabei habe ich dann gesehen, dass da ein Haufen Ged mit zu verdienen ist. Dann kam die Idee auf mit einem Kleinlaster auf dem Sperrmüll Möbel zu sammeln, die restaurationsfähig waren.

the_lamapaandu: Haben Sie nach dem Vordiplom noch weiter studiert? Oder sind Sie direkt in den Möbelhandel gewechselt? 
herr sozialarbeiter: Nach dem Vordiplom habe ich dann tatsächlich ein Gewerbe angemeldet. Ich weiß bis heute nicht, ob das so legal war. Ich gehe mal davon aus. Als Student habe ich mich nie abgemeldet, weil da war man günstig krankenversichert. Das Kollektiv ging zwei Jahre, und am Ende haben wir dann begonnen Gewinne auszuschütten. Davor haben wir das Geld immer reinvestiert. Aber dann haben wir relativ schnell gemerkt, dass das auf Dauer keine drei Leute ernähren kann. Dadrüber kam es dann zum Streit. Das Kollektiv ist auseinandergebrochen und ich habe dann alleine weiter gemacht.

the_lamapaandu: Wie alt waren Sie zu dem Moment?
herr sozialarbeiter: Das ist eine gute Frage. Achtundzwanzig?

the_lamapaandu: Sie haben sich also wohl gefühlt mit dem Handwerk. Wie haben Sie das dann vereint, das Studium und das Handwerk?
herr sozialarbeiter: Welches Studium? Das erste oder das zweite? Ich habe noch mal studiert. Da liegt aber noch einiges dazwischen. Ich habe den Laden ein Jahr alleine weiter gemacht. Später noch einen neuen Kompagnon gefunden, der dummerweise Alkoholiker war. Das ist alles schräg gegangen. Dann standen die Leute irgendwann auf der Matte und er ist im Suff verschwunden. Das ging ein, einandhalb Jahre und dann haben wir uns getrennt. Und danach bin ich für einen Bekannten, der eine Holzhandlung hatte, ausgefahren. Über die Schiene kam ich dann zu einem anderen Holzhandel. Für den bin ich dann den Lastzug gefahren und musste aber feststellen, dass ich dafür körperlich nicht in der Lage bin. Zu der Zeit sind in meinem Bekanntenkreis viele Sozialarbeiter geworden. Das habe ich dann gemacht.

the_lamapaandu: Hatten Sie schwierigkeiten sich neu zu orientieren? 
herr sozialarbeiter: Das war schon ein bisschen schwieriger. Es war angstbesetzt. Angstbesetzt, weil einerseits mit dreiunddreißig noch einmal in ein Studium einzusteigen. Man kommt dahin und die sind alle zehn, fünfzehn Jahre jünger als ich. Und andererseits habe ich lange keine intellektuelle Arbeit mehr gemacht. Ich wusste nicht, ob ich das überhaupt noch hinbekomme. Das Handwerk waren auch so bodenständige Geschichten, die ich geliebt habe. Das Aufzugeben und den Gedanken aufzugeben noch einmal in einem Kollektiv zu arbeiten, fiel mir nicht leicht.

the_lamapaandu: Und jetzt sind sie immer noch Sozialarbeiter? Und glücklich damit?
herr sozialarbeiter: Bin ich glücklich geworden mit der Sozialarbeit? Ich bin glücklich geworden trotz der Sozialarbeit. Nein, das stimmt nicht ganz. Die Sozialarbeit hat mir auch was gegeben. Es hat viel damit zu tun sich mit dem Menschen auseinanderzusetzen. Auch mit den großen Untiefen des Menschseins und wenn man sich mit anderen Menschen auseinandersetzt bleibt einem am Ende nichts übrig, als sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Und das war durchaus interessant. Aus heutiger Sicht genau so interessant wie handwerklich tätig zu sein.

the_lamapaandu: Können Sie sich unterm Strich vorstellen diesen Beruf bis zum Schluss auszuüben? Oder was stellen Sie sich für die nächsten Jahre vor? 
herr sozialarbeiter: Ich fühle mich heute schon oft genug als Rentner. In dem Beruf kann ich es mir einteilen, ob ich eine Zeit lang viel oder auch mal eine Zeit lang gar nicht arbeiten möchte. Ich habe mir auch ein Haus gekauft mit mehreren Parteien und bin dort auch handwerklich tätig. Mit mehreren Mietparteien, zu denen es Anbindung gibt.

the_lamapaandu: Sehr schön! Und gibt es etwas, das Sie rückblickend anders gemacht hätten?
herr sozialarbeiter: Was ich immer als ein Manko gesehen habe, in der Zeit als ich selbstständig war, dass ich in der Zeit vom Kollektiv nicht wirtschaftlich interessiert war. Was weiß ich, wie man Gewinne maximiert, also alles das, was mir damals an unserem System ganz eindeutig nicht gefiel. Ich dachte, wenn ich was Gutes mache und das anbiete, dann sehen das die Leute von alleine. Und das hat aber nicht geklappt. Es gibt einen Nachfolger in dem Geschäft, der hat das besser drauf.

the_lamapaandu: Was könnten Sie den jungen Erwachsenen mitgeben, um ihren Weg zu finden?
herr sozialarbeiter: Grundsätzlich aus meinem Leben würde ich mitgeben: habt keine Angst, probiert alles Mögliche aus, was euch bewegt und was ihr probieren wollt. Guckt, wie ihr die Mittel zusammen bekommt, sucht euch Unterstützung. Überlegt euch, wo ist da schon was, das euch interessiert. Aber es wohnt auch noch eine andere Seite in mir, wo ich sehe, dass die Wege heute ein bisschen enger geworden sind. Wenn man sich nicht komplett durchbeißt, wovon man einfach nicht ausgehen kann, auch wenn man es probiert, dass man dann, wenn man in die reale Gesellschaft einsteigen will, dann ist es heute schwieriger. Wenn man erst spät eine Ausbildung mach, oder gar keine hat. Es ist also irgendwo ein Spagat eine Basis an Ausbildung zu haben und zu gucken, wo geht eigentlich mein Herz hin.

the_lamapaandu: Das ist leider wahr. Zum Abschluss, haben Sie ein Lebensmotto, dass Sie mit uns teilen möchten?
herr sozialarbeiter: Ein Lebensmotto? Entwickeln. Immer entwickeln.